Forschungsprojekt:
„Molekulare Reaktionen axotomierter Neuronen nach traumatischen Verletzungen des humanen Rückenmarks“
Herr Dr. med. Armin Buss (31) ist als Assistenzarzt an der Neurologischen Klinik der RWTH Aachen (Direktor Prof. Dr. J. Noth) tätig. Während seiner Promotion beschäftigte er sich bereits mit der Reaktion menschlichen Rückenmarks nach Verletzungen insbesondere durch äußere Einflüsse. Diese Arbeiten waren eine der Voraussetzungen für ein Forschungsstipendium an der Universität Zürich bei Prof. Dr. Schwab. In der Arbeitsgruppe von Dr. Brook, RWTH Aachen hat er sich jetzt wieder der Thematik des menschlichen Rückenmark zugewandt.
Projekt-Titel:
„Molekulare Reaktionen axotomierter Neuronen nach traumatischen Verletzungen des humanen Rückenmarks“
In Deutschland erleiden etwa 1800 Personen jährlich eine durch äußere Einwirkung verursachte Querschnittlähmung. Rückenmarksverletzungen durch äußere Einflüsse betreffen überwiegend junge Menschen und führen oftmals zu schwerwiegenden Funktionsausfällen mit starker Einschränkung der Lebensqualität. Da das zentrale Nervensystem (ZNS) im Gegensatz zum peripheren Nervensystem nicht zu spontaner Regeneration der verletzten Nervenbahnen fähig ist, sind einmal aufgetretene Ausfälle häufig dauerhaft.
Die tierexperimentellen Studien der letzten Jahre über die Mechanismen der Regeneration der Nervenbahnen im ZNS haben wichtige Informationen aufgedeckt, so dass neue regenerationsfördernde Therapieansätze im Tiermodell entwickelt werden konnten. Im Gegensatz hierzu besteht ein gravierender Mangel an Informationen über die entsprechenden zellulären und molekularen Vorgänge im humanen Gewebe. Es stellt sich die Frage, ob die im Tiermodell gewonnenen Erkenntnisse auch auf das menschliche Rückenmark übertragen werden können. Dr. Armin Buss, Assistenzarzt an der Neurologischen Klinik der RWTH Aachen, untersucht in seinem Forschungsprojekt mit Hilfe molekularbiologischer Techniken Rückenmarksgewebe von verstorbenen Patienten. Hierbei sollen die molekularen Programme der durchtrennten ZNS-Nervenzellen auf ihr regeneratives Potential untersucht werden. Neben der Erforschung der lokalen Prozesse an der Verletzungsstelle kann eine Aufschlüsselung dieser molekularen Programme wichtige Informationen über die Verbesserung der Regeneration im ZNS geben.
Diese Analysen werden dann mit den tierexperimentellen Daten verglichen.
Querschnittlähmung: Stand der Forschung
Dank der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Akut- und der Rehabilitationsbehandlung haben die meist jungen Patienten mit Querschnittlähmung, die in der Regel durch eine Gewalteinwirkung von außen verursacht wird, inzwischen eine annähernd normale Lebenserwartung. Trotz der großen Fortschritte in der klinischen Betreuung der Patienten ist es bisher jedoch noch nicht gelungen, die zurückbleibenden Funktionsdefizite zu beheben. Etwa 40 % der Patienten leiden auf Dauer unter einer kompletten Tetra- bzw. Paraplegie, bei den übrigen Patienten bestehen inkomplette Querschnittssyndrome.
Die unbefriedigende Wiederherstellung der Rückenmarkfunktionen bei Querschnittlähmung beruht auf der ausbleibenden Regeneration der durchtrennten langen Nervenbahnen. Während im peripheren Nervensystem die Durchtrennung von Nervenfasern eine Reaktionskette in Gang setzt, die zum Auswachsen der Nervenfasern und häufig zu einer guten Wiederherstellung der Funktionen führt, können durchtrennte Nervenfasern im zentralen Nervensystem in der Regel nicht wieder auswachsen. Als Konsequenz bleiben die Funktionsdefizite weitgehend bestehen.
Von tierexperimentellen Befunden weiß man, dass es nach Durchtrennung von Nervenbahnen im Rückenmark zunächst zu einem raschen Abbau von verletztem bzw. zerstörtem Gewebe kommt. Daran schließt sich eine kurzdauernde Phase mit Auswachsen der durchtrennten Nervenfasern an, der jedoch rasch eine Wachstumshemmung und Narbenbildung folgt. Am Menschen sind solche Studien nur indirekt durch Rückenmarkuntersuchungen post mortem möglich. Soweit Berichte vorliegen, werden die morphologischen Veränderungen an der Verletzungsstelle ausführlich beschrieben. Molekularbiologische bzw. molekularpathologische Untersuchungen liegen bislang jedoch kaum vor. Dies ist nicht zuletzt auch deswegen der Fall, da die Gewinnung von menschlichem ZNS-Gewebe nur sehr begrenzt und weitgehend nur postmortal möglich ist. Andererseits wären solche Untersuchungen zum Vergleich mit den tierexperimentellen Befunden von größter Wichtigkeit und sind im Rahmen des Möglichen dringend wünschenswert.